Dienstag, 15. Juli 2014

WM-Wissen kompakt für Grundschüler

Unglaublich, aber wahr: Deutschland ist Weltmeister!

Und während sich die anfängliche Euphorie langsam senkt und ich beginne, mich wieder dem Alltag zuzuwenden, ziehe ich Résümé. Auch bei uns zu Hause wurde wochenlang mitgefiebert, mitgeschaut, mitgesammelt. Und da gibt es doch immer wieder Leute, die behaupten, so eine Fußball-Weltmeisterschaft halte die Kinder vom Lernen ab. Ich habe da andere Erfahrungen gemacht.
Hier eine Zusammenfassung dessen, was mein Sohn Julian (6 Jahre, Vorschulkind, er kommt erst im Herbst in die Schule) im Laufe der vergangenen fünf Wochen alles gelernt hat. Und zwar vollkommen ohne Druck und freiwillig! (Und ganz abgesehen von umfangreichem Fußballwissen natürlich.) Er weiß jetzt...
  • Mathe:
    - ...wie man Zahlen einordnet. Den Zahlenraum bis 640 beherrscht er mittlerweile recht gut (danke, Panini!) Man beachte an dieser Stelle den automatisch ansteigenden Schwierigkeitsgrad: Bereits aufgeklebte Panini-Bilder ergeben „Kleksaufgaben“ und das Finden der richtigen Stelle für den Aufkleber wird so immer schwieriger je mehr Bildchen schon im Heft sind.
    - ...wie man Zahlen liest (Achtung, Stolperstelle Inversion im Deutschen!)
    - ...wie man Zahlen zusammenzählt und vergleicht (3 Punkte für einen Sieg, 1 Punkt für unentschieden, wer steht also wo in der Tabelle?) Ich denke da auch an vielfältige Sachaufgaben („36 Minuten gespielt. Wie lange noch bis zur Halbzeit?“ „45 Minuten sind rum, der Schiedsrichter lässt 3 Minuten nachspielen.“ Analyse und Selbsterstellen von Spielstatistiken,...)
  • HSU:
    - ...welches Land welche Flagge hat
    - ...welche Sprache man wo spricht
    - ...was eine Nationalhymne ist
    - ...dass 45 Minuten das Gleiche ist wie eine Dreiviertelstunde (und wie lange er wach bleiben darf, wenn a) das Spiel um 21:00 beginnt und b) es Verlängerung gibt)
    - ...was eine Zeitverschiebung ist und warum es die gibt
    - ...wie unsere Bundeskanzlerin heißt und welche Kleidung sie am liebsten trägt
    - ...wie das Wahrzeichen von Rio de Janeiro aussieht (auch wenn ich bis zum letzten Spieltag gebraucht habe, um ihn davon zu überzeugen, dass Cristo nicht das Münchner Kindl ist)
  • Deutsch:
    - ...dass man Robbe mit „bb“ schreibt (danke hier an die Niederlande)
  • soziale Kompentenzen:
    - ...dass auch starke Männer mal weinen dürfen
    - ...dass man sich, wenn man gewinnen will, etwas Anderes einfallen lassen muss als Schlagen und Treten
  • Sport:
    - Hier stand umfangreiches Lauf-, Schieß- und Konditionstraining auf dem Programm, sowie das Nachstellen von Spielsituationen in Zeitlupe (inklusive Mimik der Spieler!)

So eine WM eignet sich also ganz hervorragend für fächerübergreifenden Unterricht. Und fragen wir nicht sowieso immer nach Themen, mit denen wir endlich mal auch die Jungs zum Lernen motivieren können? (Mal ganz abgesehen davon, dass ich überzeugt davon bin, dass auch zahlreiche Mädchen in den vergangenen Wochen der WM-Leidenschaft erlegen waren.) Wir suchen doch immer nach Lebensweltbezug und Schülerorientierung im Unterricht – hier haben wir es.

In vier Jahren ist wieder WM. Bis dahin bin ich (hoffentlich) selbst im Schuldienst. Dank meines Sohnes habe ich nun vielfältige Ideen, wie ich das Fußballfieber mit in den Unterricht nehmen kann um es dort produktiv umzusetzen.
Ach, und liebe Nationalmannschaft: Es wäre echt super, wenn ihr in vier Jahren auch wieder den Pokal holen könntet. Damit die Lernmotivation meiner Schüler auch bis zum letzten WM-Tag entsprechend hoch bleibt. Vielen Dank!

Freitag, 4. Juli 2014

Endspurt

Zu Semesterende wird es hart. Immer. Hausarbeiten wollen geschrieben werden, Portfolios sind abzugeben und für Klausuren muss gebüffelt werden. Aber das Ende des Sommersemesters ist noch ein bisschen härter als das im Winter. Denn das Wetter ist so schön und die Tage so lang und es fallen einem so viele Dinge ein, die man lieber machen möchte als lernen: Schwimmen gehen, an der Isar grillen, in den Biergarten radeln, im Park picknicken, ein Open-Air-Kino besuchen, über den Flohmarkt trödeln, auf einem Straßenfest feiern (oder sonstwo unter freiem Himmel) und und und... Und dann hat man ja immer Angst, das gute Wetter könnte morgen schon wieder vorbei sein, also lieber heute noch mal schnell ausnutzen!
Ich habe mich mittlerweile schon damit abgefunden, dass das Sommersemester grundsätzlich etwas weniger effektiv ausfällt als das im Winter. Und die Noten ein bisschen schlechter. Aber dieses Jahr ist es noch schlimmer. Denn zusätzlich zu Sonnenschein und lauen Nächten ist jetzt auch noch WM! Und wenn man rechtzeitig zum Public Viewing im Biergarten sein möchte, fallen die Nachmittage zum Lernen schon mal aus. Die Abende als Folgeerscheinung ebenso. Und wenn man sich das nächtliche Spiel auch noch reinzieht, kann man eigentlich auch den folgenden Tag vergessen. Wann also, liebe Dozenten, wann sollen wir denn bitte dieses Jahr lernen?

Mittwoch, 2. Juli 2014

Unsere ganz persönliche Kinder-Uni

Letzte Woche war es nun endlich soweit. Erstaunlich eigentlich, dass ich es bis ins 4. Semester geschafft habe, bevor dieser Tag kam. Der Tag, an dem ich niemanden organisieren konnte, der die Kinder aus dem Kindergarten abholt, ich aber gleichzeitig einen von diesen Bio-Kursen habe, in denen ich nur mit Attest fehlen darf. Ein Freitagskurs in Ökologie, der bis 17:45 dauert und ein Kindergarten, der um 16:00 schließt.
Also habe ich die Jungs mitgenommen.
Der Kurstag startete um 14:00 mit einer theoretischen Einführung. Ich hatte Julian und Leo bereits im Vorfeld geimpft, dass man sich in der Uni ruhig verhalten und ordentlich benehmen muss. Julian setzte sich auch gleich aufrecht hin und war sehr gespannt (ganz der werdende Schüler eben). Er lauschte dem Dozenten aufmerksam, der über verschiedene Vogelarten, ihre Gesänge und ihr Verhalten sprach. Nach ein paar Minuten beugte er sich zu mir hinüber und fragte mich flüsternd: „Ist das da vorne euer Bestimmer?“ 
Leo hingegen suchte sich einen Platz unter dem Tisch und inspizierte das Schuhwerk meiner Kommilitonen. Aber auch er tat das ziemlich leise und so hatte ich keinen Grund zur Ermahnung. Außerdem tuschelten die Studenten um uns herum so laut, dass nicht einmal Julians aufgeregt gerufenes „Mama, schau, ein Rotkehlchen, das kenne ich!“ weiter störte.
Ich hatte Glück, es war immerhin ein „kinderfreundlicher“ Kurstag. Nach der theoretischen Einführung wurden wir „ins Feld“ entlassen, wo wir Vögel beobachten und ihr Verhalten beschreiben und dokumentieren sollten. Julian und Leo wischten aus dem Praktikumsraum an Dozenten und Tutoren vorbei in den Gang hinaus, lachend, schreiend, sich gegenseitig fangend, wie Kinder das halt so tun, wenn es raus in die Pause geht. Das Dozenten-Tutoren-Team sah ihnen verdutzt hinterher: „Zu wem gehören denn die Kinder?“
„Das wären dann wohl meine,“ gestand ich.
„Waren die die ganze Zeit schon hier?“
Da sieht man mal wieder, wie genau der Dozent seine Studenten während des Vortrags anschaut! (Und wie laut die restlichen Studenten sind, so dass zwei kleine Kinder dazwischen gar nicht auffallen.)
Unsere Studentengruppe wurde glücklicherweise in einen Park eingeteilt, in dem neben den zu untersuchenden Vögeln auch ein wunderschöner Spielplatz zu finden war und ich muss zugeben, dass meine Kinder nicht die einzigen Gruppenmitglieder waren, die lieber schaukeln wollten, als das Fluchtverhalten von Amseln zu untersuchen (Ich schließe mich selbst da gar nicht aus).
Nach unseren Vogel- und Spielplatzuntersuchungen kehrten wir zur Nachbesprechung der Ergebnisse in den Kursraum zurück. Diesmal kroch auch Julian zu seinem Bruder unter den Tisch. Zunächst veranstalteten die beiden dort unten ein kleines Brezenpicknick, der Spielplatzbesuch hatte wohl hungrig gemacht. Die Nachbesprechung zog sich jedoch in die Länge und die Unruhe bei Studenten und Kindern nahm sichtlich zu. Während sich das bei den Studenten in lauterem Gerede mit den Nachbarn und vermehrtem Herumrutschen auf den Stühlen zeigte, begannen meine Kinder allmählich, ihr Gebiet unter den Tischen zu erkunden. Sie krabbelten die Tischreihe entlang von Beinpaar zu Beinpaar und machten sich mit meinen Kommilitonen bekannt. Ich überlegte kurz einzugreifen, hatte dann aber das Gefühl, dass die beiden gar nicht unbedingt als Störung, sondern vielmehr als willkommene Ablenkung gesehen wurden und ließ sie somit ihren Streifzug fortführen.

Was soll ich sagen? Meine Kinder finden es toll an der Uni. Sie wollen jetzt öfter mitkommen.